Pressespiegel: DVZ, Nr. 091 vom 1.8.2006

„Weiche Faktoren sind entscheidend“. Marketingexperte Werner Geilenkirchen über Logistikmarketing als Zukunftsinvestition.

Werner Geilenkirchen

Außer dem Management der operativen logistischen Prozesse ist besonders das Logistikmarketing ein Erfolgsfaktor für die Branche. Logistikunternehmen müssen erheblich mehr als bisher in Marketing und Markenführung investieren. Im Interview mit DVZ- Mitarbeiter Armin Hille erklärt der Marketingexperte Werner Geilenkirchen, worauf es künftig ankommt.

Herr Geilenkirchen, warum reicht die Prozessqualität als Erfolgsfaktor eines Logistikunternehmens nicht mehr aus? Einerseits erhöhen veränderte Logistikketten und neue Kundenanforderungen hinsichtlich der Qualität und Effizienz bei operativen Prozessen den Wettbewerbsdruck. Anderseits gewinnen ausländische Anbieter immer mehr Marktanteile. Hinzu kommen Konzentrationsbewegungen im Inland. Da der Kunde die perfekte Bewältigung des physischen Güterstroms heute voraussetzt, genügt die eigene Kompetenz nicht mehr als Verkaufsargument. Zunehmend stellen Kunden fachfremde und „weiche Faktoren“ in den Mittelpunkt ihrer Entscheidung.

Für wen gilt das? Dies gilt besonders für Firmen, die sich im umkämpften Kontraktlogistikbereich neu positionieren wollen. Erfolgsfaktoren beim Auf- oder Ausbau dieses Geschäftsfeldes sind außer der unverzichtbaren Prozessqualität besonders das Markenimage, die Mitarbeiterqualität und – für Logistiker eher überraschend – Kreativität.

Was unterscheidet Logistikmarketing von Werbung? Logistik und Transport sind der Industriegüterbranche sehr ähnlich. Die Kommunikation basiert sehr auf technischen Argumenten, allein durch Produktvorteile sollen Kunden überzeugt werden. Dennoch fühlen sich Logistiker durch produktorientierte Werbung meist nicht richtig beworben, schließlich bieten sie eine Dienstleistung an. Bedenkt man, dass auch Dienstleistungen immer ähnlicher und austauschbarer werden, bleibt als originärer Unternehmenswert oft einzig und allein die Marke. Logistikmarketing berücksichtigt außer der bloßen Werbung auch Aspekte wie Service- und Preispolitik, den Auf- und Ausbau neuer Geschäftsfelder, die veränderte Kommunikation in komplexen Supply Chains oder die Integration operativer und vertrieblicher IT. Und nutzt insbesondere die angesprochenen weichen Faktoren.

Wie stellen sich mittelständische Logistikunternehmen auf das notwendige Logistikmarketing ein? Bisher eher zurückhaltend. Besonders bei mittelständischen Logistikanbietern gilt oft noch der Grundsatz aus alten Speditionstagen, „die Kunden rufen von selbst an“. Einerseits zeigt sich die eher konservative Logistikbranche aus meiner Sicht zu Recht skeptisch gegenüber ständig neuen Marketing-Moden mit neuen Wortschöpfungen. Nicht selten unterliegen mittelständische Unternehmen aber auch dem Trugschluss, Marketing und Markenführung seien nur etwas für große Unternehmen.

Wahrscheinlich können kleine Firmen sich Marketing nicht leisten . . .
. . . dabei ist genau dies die Herausforderung für alle Unternehmen, unabhängig von der Branche und Unternehmensgröße. Unterschiedlich sind nur die notwendigen und sinnvollen Aufwendungen. Zudem glauben Unternehmen, Marketing wäre zu teuer, und man könne sich die Kosten dafür nicht leisten. Marketingausgaben sind jedoch keine Kosten, sondern Investitionen. Was sich ein Unternehmen jedoch nicht leisten kann, ist, nicht in Marketing zu investieren.

Wie kann sich ein Unternehmen über das Marketing strategisch positionieren? Zum einen durch eine Aufmerksamkeit erzeugende Visualisierung, angefangen bei der Farbcodierung, über emotionale Bilder bis zur Positionierung eines prägnanten Logos. Anderseits aber auch durch einen neuen Fachbegriff. Nehmen wir als Beispiel den von uns speziell für einen Kunden entwickelten Begriff „Wachstumslogistik“. Da der Begriff neu ist, erzeugt er Aufmerksamkeit und Präsenz in einem umkämpften Markt. Er benennt den Nutzen durch Leistungen und logistische Lösungen. So kann sich ein Logistikunternehmen allein durch einen neuen Logistikbegriff ganz neu positionieren und den Dialog mit relevanten Zielgruppen auf- und weiter ausbauen.

Welche Rolle spielt in diesem Zusammenhang die Marke eines Unternehmens? Unternehmen leben von dem, was sie verkaufen. Logistische Kompetenz genügt jedoch nicht mehr als Verkaufsargument. Die Bedeutung der Unternehmensmarke wird zunehmend wichtiger. Denn eine Marke ist mehr als ein Logo und ein Produkt. Bei der Entscheidung, ein Produkt zu kaufen oder eine Dienstleistung in Anspruch zu nehmen, spielt die Marke eine wichtige Rolle. Der Gesamtwert eines Unternehmens wird heute im Durchschnitt aller Unternehmen zu 40 bis 60 Prozent von der Unternehmensmarke bestimmt. So beurteilen Banken vor dem Hintergrund von Basel II ein Unternehmen auch hinsichtlich ihres Marketing- und Vertriebskonzeptes sowie der Qualität des Außenauftritts.

Wie ließe sich eine Marke erfolgreich positionieren? Für eine erfolgreiche Markenführung muss zunächst ein unverzichtbares Erfordernis erfüllt sein, sie muss zur Chefsache erklärt werden. Die Markenkonzeption und Markenbildung, sprich die Festlegung der Inhalte, die Positionierung gegenüber Wettbewerbern und die Gestaltung der Markenelemente wie Name und Logo sind Sache der Kommunikationsexperten.

Wie können gerade kleinere und mittlere Unternehmen dies erfolgreich umsetzen? Externe Spezialisten mit Logistikerfahrung können dies in enger Abstimmung mit der Geschäftsführung übernehmen. Dies garantiert auch die sonst im geschäftlichen operativen Alltag oft nicht mögliche kontinuierliche Weiterentwicklung und Kontrolle.

Wie schätzen Sie die künftige Entwicklung ein? Für kleine und mittelständische Anbieter wird der Auf- und Ausbau einer starken und sicheren Marktposition zunehmend schwieriger. Außer den Anforderungen an die operativen Qualitäten steigt der Wettbewerbsdruck auch durch mangelnde Unterscheidbarkeit der einzelnen Anbieter aus Sicht der Auftraggeber. Zu wenig Unternehmen besitzen eine differenzierbare Leistungsbeschreibung. Strategisches Marketing, professionelle Kommunikation einschließlich einer Marke kann Logistikunternehmen helfen, sich erfolgreich zu positionieren. Investitionen in eine professionelle, strategische Markenführung machen sich für Unternehmen bezahlt. Eine starke Marktpräsenz und ein positives Image bieten wertvolle Wettbewerbsvorteile. Herr Geilenkirchen, vielen Dank für das Gespräch.

DVZ 1.8.2006 (rok) Werner Geilenkirchen, 47, ist in der Geschäftsleitung der Herzig Marketing Kommunikation. Der Gastreferent und Fachautor ist unter anderem Initiator der Trendstudie „Logistik. Online zum Erfolg“ Er hat in zahlreichen Projekten Logistikunternehmen betreut. Seine Schwerpunkte liegen in der strategischen Geschäftsfeldentwicklung, der Konzeption geeigneter Marketingstrategien und der Integration moderner Kommunikationssysteme. Nach Jura-Studium und Erfahrungen als Geschäftsführer und Berater in Medienagenturen ist er ein Kommunikationsexperte mit gleichzeitiger Spezialisierung auf IT- und Logistikmarketing. DVZ 1.8.2006 (ah/rok) Armin Hille ist Logistik-Fachautor mit Sitz in Ruppichteroht. Kontakt über kuemmerlen@dvz.de

116285, DVZ , 01.08.06; Words: 870

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